,,Der Hungerstreik hat mich gestärkt!“

Hier klicken und direkt zu: Motivation unseres Aktivisten am Hungerstreik teilzunehmen, Interview mit dem Hungerstreikenden Firas, Interview von unserem Aktivisten mit Perspektive, Interview von unserem Aktivisten mit dem Revolutionären Aufbau Basel, Zeitungsartikel vom General Anzeiger Bonn zum Hungerstreik , und hier als PDF: Alles zum Hungerstreik
Hier unser Auswertungsbericht zum Hungerstreik:
Seit dem 20.01.2018 wird der nordsyrische Kanton Afrin von Erdogan und seinen islamistischen Verbündeten der Free Syrian Army (FSA) angegriffen. Die Verteidigungseinheiten der SDF, YPG und YPJ kämpfen seit Jahren sowohl gegen islamistische Banden in Syrien und dem Irak als auch für den Aufbau einer basisdemokratischen Gesellschaftsform. Am 18.03.2018 sind die Banden jedoch bis zur Stadt Afrin vorgedrungen und haben sie umzingelt. So evakuierten die Verteidigungseinheiten die Zivilbevölkerung, währenddessen besetzten die Islamisten weite Teile der Stadt. Seitdem versuchen die Verteidigungseinheiten Afrin zu befreien. Während diesem Angriffskrieg und der Besetzung, werden Erdogan und seine Islamisten mit Waffenlieferungen von Deutschland aus unterstützt.
Aus der engen Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und türkischen Staat folgt so einiges: Kurdische Verlagshäuser werden leergeräumt, Fahnen, Symbole und zum Teil sogar Demonstrationen verboten und das alles hier in Deutschland! Um uns von hier mit den SDF, YPG, YPJ und der Zivilbevölkerung zu solidarisieren, um auf den Krieg aufmerksam zu machen und Druck aufzubauen, nehmen wir bereits seit Januar an den Protesten für Afrin teil. Aufgrund von den politisch angeordneten Verboten, werden jedoch kurdische Demos von massiven Polizeiaufgeboten begleitet. Zahlreiche Medien berichten daraufhin bei Afrindemos (fast) nur über die Verbote, Verstöße, Unfriedlichkeit, Belastung der Polizei und Verkehrsbehinderungen. So wurden die Proteste systematisch kriminalisiert und diffamiert. Dieses Vorgehen des deutschen Staates gegen jegliche kurdische Aktivitäten ist rassistisch!
Schließlich gingen am 19.03.2018 der Fußballprofi Deniz Naki und einige im Exil lebende Politikerinnen und Politiker der HDP vor dem Sitz der UN in Genf in den Hungerstreik. Sie fordern von den Vereinten Nationen (UN) u.a. humanitäre Hilfe und eine Flugverbotszone, sodass Erdogans Luftangriffe ein Ende haben. Einer unserer Aktivisten ist am 28.03.2018 nach Genf gefahren, um die Aktion zu unterstützen. Am 29.03.2018 beendete die Hungerstreik-Gruppe ihre Aktion, wurde von der nächsten Hungerstreik-Gruppe abgelöst und an dieser nahm unser Aktivist teil. Sie streikten für fünf Tage befristet und wurden dann von der nächsten Hungerstreik-Gruppe abgelöst.
Was bringt dieser Protest? Mit unseren Protesten und unserer Solidarität verleihen wir der Zivilbevölkerung und den Verteidigungseinheiten Mut und Kraft. Wir als Demonstrierende sind nun zwei Monate auf die Straße gegangen, wurden dabei kriminalisiert und diffamiert. Durch das Zusammenspiel verschiedener Aktionsformen, die Vielfältigkeit des Protests und die Bereitschaft der Teilnehmenden eigene Bedürfnisse zurückzustellen, werden die Proteste in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen. So können wir mit dem Protest mehr Menschen erreichen und mehr Druck aufbauen. Um euch Lesenden die Aktionsform näher zu bringen, stellen wir euch einen Aktivisten vor, der in der zweiten Hungerstreik-Gruppe gemeinsam mit unserem Aktivisten teilgenommen hat:
Munzur ist 29, kommt aus Amed/Diyarbakir (Türkei) und war dort in der BDP (HDP-Vorgängerpartei) aktiv. Seine Eltern waren jedoch wegen den damit einhergehenden Gefahren in der Türkei gegen seinen politischen Aktivismus. Schließlich kam Munzur aufgrund von einer gewöhnlichen Demo 2009 für vier Monate ins Gefängnis. Seine Eltern fühlten sich bestätigt, doch er selbst wollte weiterhin Demos organisieren und seine Stimme erheben. 2012 kam er erneut ins Gefängnis, diesmal für zwölf Monate und wieder wegen einer Demonstration. Doch nun führte er im Gefängnis seinen Aktivismus fort: Mit mehreren anderen Aktivisten trat er in den unbefristeten Hungerstreik. Gemeinsam forderten sie Kontakt zu Öcalan, dem seit 1999 inhaftierten Vorsitzenden der PKK. Nach 20 Tagen hatten sie Erfolg, Freunde von ihnen durften den Kontakt aufnehmen und sie beendeten den Hungerstreik. Nachdem Munzur aus dem Gefängnis kam, organisierte er weitere Demos. 2016 sollte er für 16 Jahre ins Gefängnis kommen und floh aus der Türkei in die Schweiz, wo er als politisch Verfolgter anerkannt wird. Aber sein Aktivismus geht weiter: In der Schweiz ist er bei Ciwanen Azad aktiv. ,,Das Schweigen und Unterstützen der europäischen Regierungen zu Erdogans Angriffskrieg, trotz der ganzen Demo überall in Europa muss ein Ende haben! Deswegen wollen wir den Protest mit dem Hungerstreik auf eine andere Stufe stellen.“ so Munzur. Er ist nicht der einzige, der bereits Hungerstreik-Erfahrungen hat. Viele andere Hungerstreikende sind erfahren, so auch Firas, den wir in Genf interviewt haben.
2016 haben wir in unserer politischen Arbeit einen Fokus auf Arbeit mit Geflüchteten gelegt. Sowohl im Januar als auch im März 2016 traten mehrere Geflüchtete aus Troisdorf Sieglar und Troisdorf Bergheim aus Protest in den Hungerstreik. Es handelt sich unter Kurdinnen und Kurden sowie unter Araberinnen und Arabern um eine gängige Aktionsform, die für Europäerinnen und Europäer eher befremdlich ist. Das liegt auch daran, dass wir hier in Europa einen erheblich besseren Lebensstandard haben. Viele Linke in Europa haben hier ihren normalen Alltag, ihre Familie, ihre Freundinnen und Freunde, ihren Spaß und sind nebenbei politisch aktiv. Die Notlage ist für Firas, Munzur und die anderen Freundinnen und Freunde größer: Ihre Angehörigen fallen im Krieg, sie werden politisch verfolgt, waren mehrfach als politisch Gefangene im Gefängnis, sind gezwungen ihre Heimat zu verlassen, haben seit Jahren ihre Eltern nicht mehr gesehen und und und. Es ist also kein Wunder, dass die kurdische und arabische Protestkultur radikalere Mittel beinhaltet, da sie ums Überleben kämpfen. Wir wollen diese Distanz der unterschiedlichen Protestkulturen überwinden! Lasst uns mit migrantischen Protesten besser verknüpfen, lasst uns deren Protestkultur kennenlernen und lasst uns gemeinsam gegen die Kriege der Herrschenden protestieren!
Natürlich hat sich unser Aktivist im Vorfeld Gedanken über die Folgen seines Hungerstreiks gemacht, es war sein erstes Mal und ihm war nicht bekannt, dass die Aktion befristet abläuft. Doch er meint, es mache eine überzeugte Aktivistin bzw. einen überzeugten Aktivisten aus, dass man für politische Zwecke bereit ist, persönliche Bedürfnisse zurückzustellen. Schließlich fuhr er über 700km nach Genf und lernte viele neue Genossinnen und Genossen kennen. Beim Kampf gegen das Hungergefühl wurde unser Aktivist durch die Gemeinschaft und den politischen Charakter des Ganzen gestärkt. Tagsüber veranstalteten die Hungerstreikenden gemeinsam eine Kundgebung vor dem UN Gebäude mit aufgebauten Pavillons, Plakaten, Transparenten und Fahnen. Es wurden mehrsprachige Passantenflyer verteilt und zur Musik tanzten sie gemeinsam mit Passanten, die sich angeschlossen hatten. Die Effektivität von Hungerstreiks wird an den Beispielen von Munzur und unseren Troisdorfer Freundinnen und Freunden deutlich. Dennoch machen wir uns keine Illusionen, dass unsere Forderungen von einer Organisation der imperialistischen Staaten wie der UN, sofort umgesetzt werden. Bei jeder unserer Protestformen setzen wir auf die Öffentlichkeit, versuchen sie zu erreichen und Druck aufzubauen. Letztendlich ist der Hungerstreik ein Teil der ganzen Protestreihe für Afrin und sollte auch als solcher bewertet werden.
Abschließend sei gesagt, dass der Hungerstreik unseren Aktivisten gestärkt hat, er ist nun mutiger und entschlossener als je zuvor. Der Hungerstreik hat seinen Charakter bereichert. Wir sind froh, ein Teil des Protestes in Genf gewesen zu sein und hoffen dass wir euch mit dem Text die Aktionsform näher gebracht haben.
Weiterhin veranstalten wir jeden Dienstag (17.30 Uhr Friedensplatz) eine Kundgebung für Afrin und zum 1. Mai, dem Tag der Arbeiterinnen und Arbeiter, wird es in Bonn wie immer eine Demo (11 Uhr DGB Haus) sowie das Internationalistische Fest (14 Uhr Marienschule, Altstadt) geben. Jeden Freitag (18 Uhr DGB Haus) findet unser offenes Gruppentreffen statt, bei dem wir alles diskutieren und organisieren, kommt vorbei und macht mit.
Hoch die Internationale Solidarität!
Es lebe der Widerstand in Afrin!
Biji Berxwadana Afrine!