Terrorattacken in Halle und Zülpich – Antifaschismus ist eine politische Notwendigkeit!
Was ist in Halle passiert?
Am 09.10.2019 feierten zahlreiche Juden ihren höchsten Feiertag, den Jom-Kippur Tag. Stephan Balliet hat versucht in Halle bewaffnet in eine Synagoge zu gelangen, um einen Massenmord zu verüben. Da er nicht reingekommen ist, schoss er vor der Synagoge, warf eine Handgranate auf einen jüdischen Friedhof und schoss in einen Dönerladen. Dabei wurden zwei Menschen ermordet und mindestens zwei schwerverletzt. Berichten zu Folge waren mehrere bewaffnete Täter auf der Flucht.
Balliet war bei der Bundeswehr, hat sich monatelang für das Attentat bewaffnet und von anderen Terroristen inspirieren lassen. Eigentlich wollte er eine Moschee oder ein linkes Zentrum stürmen, weil diese weniger geschützt sind als Synagogen. Doch für ihn sind ,,die Juden“ schuld an der ,,Masseneinwanderung“ und sonst allem. Daher sind sie sein bevorzugtes Ziel. Für ihn ist es wert zu sterben, auch wenn er ,,nur“ einen Juden umbringen würde.
Balliet war in internationalen rechtsradikalen Online-Foren aktiv und lud vor seinem Attentat ein Dokument dazu hoch. Darin werden die Waffen für den Anschlag präsentiert: fünf Gewehre, eine Pistole, ein Schwert, dazu mehrere Handgranaten, Rohr- und Nagelbomben sowie 730 Schuss Munition. Die Granaten seien etwa „Monate im Voraus“ präpariert worden. Außerdem ließ er das Attentat für seine Anhänger online live übertragen. Das Attentat von Brenton Tarrant am 15.03.2019 in Neuseeland verlief ähnlich. Es gibt einige weitere Terrorattacken mit dem gleichen Muster, u.A. die von 2011 in Oslo.
Der Staat ermittelt…
…zu spät! Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Halle kritisiert, dass seiner Synagoge trotz wiederholter Anfragen ein Polizeischutz verwehrt worden sei. Nach dem Anschlag sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei zum ZDF: ,,Wir können uns nicht neben der Terrorbekämpfung gleichzeitig mit viel Personal um Rechtsextremisten kümmern.“ Dies zeigt ganz klar, die Prioritäten der Polizei und das gerade in den Zeiten des Rechtsrucks. Wenn den Behörden etwas am Kampf gegen Rechts liegen würde, wäre ihnen der Attentäter schon länger bekannt und sie wären gegen ihn vorgegangen.
Der Bundespräsident Steinmeier sagte: ,,In Halle ist passiert, was in Deutschland unvorstellbar schien“. Doch seit 2017 verübten Nazis über 50 Sprengstoffanschläge in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2019 wurden über 600 Angriffe auf Flüchtlinge verübt. Rechte Gewalt gehört zum Alltag in Deutschland. Politiker geben sich nun überrascht, aber tragen eine Mitverantwortung: Auch wenn wir die Wirksamkeit der staatlichen Arbeit gegen Rechts stark anzweifeln, werden sogar dieser die Gelder gekürzt.
Staatliche Institutionen verharmlosen den Terror in Halle mit ihrer Einzeltäter-Behauptung. Bereits in Bezug auf den NSU versuchten staatliche Institutionen rechte Terrorstrukturen zu vertuschen und sprachen von einem Täter-Trio. Doch seit Jahren ist allseits bekannt: ,,Nazis morden, der Staat macht mit – der NSU war nicht zu dritt!“. Der NSU bekam Gelder vom ,,Verfassungsschutz“ und Waffen von der Bundeswehr. Bereits 1980 unterstützte der deutsche Staat einen Terroranschlag: Damals wurde das größte Attentat der Geschichte der BRD verübt. Seit Jahrzehnten gibt es eine tiefe Verstrickung zwischen dem Staat und Nazis.
Fazit
- Es steht fest, dass es kein Einzeltäter war. Er hat von einem ,,Unbekannten“ eine hohe Spende erhalten und die Gruppe ,,Staatsstreichorchester“ hat sich zum Anschlag bekannt. Im Bekennerschreiben kündigen sie weitere Angriffe mit mehr Toten an.
- Rechtsterroristen horten Leichensäcke und Ätzkalk, schreiben Todeslisten, planen und verüben Anschläge. Sie sind in der Atomwaffendivision, der Combat18, dem NSU 2.0, der Identitären Bewegung (IB) sowie in extrem rechte Strukturen in Polizei und Bundeswehr organisiert. Die IB unterstützte den Attentäter von Neuseeland und hat einige Überschneidungen mit der AfD in der politischen Praxis und der personellen Zusammensetzung. Dieser Übergang von offenen Rechtsterrorismus-Unterstützern hin zu einer Partei mit z.T. 20-30% Wählern ist besonders gefährlich.
- Der rassistische Mythos der ,,Masseneinwanderung“ bzw. des ,,Bevölkerungsaustausch“ wird von Sarazzin über die AfD, die IB und Rechtsterroristen vertreten. Dass Rechtsterroristen abstrakt davon reden, dass ,,die Juden“ an allem schuld seien, ist kennzeichnend für sie. Dies tun bspw. auch die Neonazis, die seit elf Jahren in Remagen aufmarschieren. Die internationale Vernetzung rechter Terroristen und das konkrete Ausmaß ihrer Gewalt spricht für eine neue Dimension. Diese betrifft sowohl Juden, Muslime als auch Geflüchtete, was sie in eine stärkere Bedrohung und Gefahr versetzt als zuvor.
- Nur wenige Stunden nach dem Attentat in Halle feuerten Unbekannte Schüsse auf eine Unterkunft für Zuwanderer in Zülpich (nahe bei Bonn!) ab. Dieser Angriff ist fast gar nicht in den Medien oder öffentlichen Debatten präsent. Es ist unsere Aufgabe, dies zu thematisieren und dazu öffentliche Aktionen zu veranstalten.
- In Talkshows wird über Halle diskutiert und dazu werden AfDler aufs Podium eingeladen. Der Springer-Chef Mathias Döpfner hat als Reaktion auf Anschlag eine Verschärfung der deutschen Flüchtlingspolitik gefordert und dass Medien mehr über ,Ausländerkriminalität‘ berichten sollten. Die Debatten zu dem Thema sind wichtig und wir Linken dürfen uns da nicht raushalten. Wir müssen bspw. die Rolle des Staates ganz offen entlarven: Anstatt, dass der Staat den rechten Terror bekämpft, relativiert (,,Einzeltäter“) und unterstützt (Gelder, Waffen, Infos, uvm) er ihn. Dies muss bekannter werden. Die Bildung zu dem Thema müssen verstärkt werden, darf aber nicht von Rechten bestimmt werden. Es sollte bspw. explizit an Schulen Bildungsveranstaltungen dazu geben, sodass von klein auf darüber informiert und diskutiert wird. Schließlich liegt das Wissen über die rechte Strukturen eine wichtige Grundlage dafür, selbst aktiv zu sein. Nicht der Staat schützt Minderheiten, dies müssen wir tun.
- Medien und Politiker versuchen nun die Terrorattacke zu verharmlosen und gegen Linke hetzen. Dies tun sie, indem sie bspw. Links und Rechtsextremismus gleichsetzen und indem der Bundespräsident Schäuble das Attentat mit einem pro-kurdischen Protest in Köln verglich.
- Wir wollen über die Thematik aufklären und in unserer Praxis entsprechend handeln. Am 19.10. fahren wir zum Brüser Berg und protestieren gegen eine Veranstaltung der AfD. Am 22.10. wird im Rahmen unseres Café Allez ein Vortrag über die Verstrickungen von Staat und Nazis stattfinden und am 8.11. eine Diskussion darüber, was wir selbst konkret gegen Nazis tun können und sollten. Schließlich fahren wir am 16.11. nach Remagen, um dort den größten jährlichen Naziaufmarsch unserer Umgebung zu verhindern. Bereits die Blockaden gegen Pegida haben gezeigt, dass diese Aktionsform effektiv ist, rechte Strukturen schwächt und sie von weiteren Aufmärschen absehen.
Zu den Verstrickungen von Staat und Nazis empfehlen wir folgende Dokus von SWR, ARD und ARTE.