Offener Brief: Für ein Nazifreies Remagen
Liebe Genoss*innen, Mitstreiter*innen und Antifaschist*innen,
im Folgenden ziehen wir ein kurzes Fazit aus den Protesten gegen den Naziaufmarsch am 16.11.2019 in Remagen und stellen daraufhin Schlussfolgerungen für die Proteste im November 2020 auf. Wir meinen, dass es wichtig ist, sich nicht zu spät damit zu befassen.
Die Proteste 2019 waren erfolgreich: Es gab den Buttersäure-Angriff bei der Anfangskundgebung der Nazis, die Besetzung mehrere Bäume an der Route und eine Sitzblockade. All dies führte zu mehreren Verzögerungen, Umleitungen und Störungen der Nazi-Demo. Zudem ist es ein Erfolg, dass die Gegendemo 2019 mehr Teilnehmer*innen (knapp 1.000) als in den Vorjahren hatte.
Doch aus unserer Sicht sollte man auch dann, wenn es gut läuft, schauen, was hätte besser laufen können. Am 9.11.2019 demonstrierten 14.000 Menschen in Bielefeld gegen Nazis. Wenn wir das mit den Protesten in Remagen vergleichen, fällt schnell auf, dass noch viel Luft nach oben ist.
Wir finden es wichtig, gerade in diesem Jahr bei den Protesten in Remagen das Potenzial auszuschöpfen. Wenn wir ihnen in zwei Jahren in Folge so entschlossen und effektiv entgegentreten, wird ihnen schnell die Lust vergehen, wieder zukommen. Das macht die Proteste in diesem Jahr umso wichtiger. Bei PEGIDA in Bonn war es so, dass man ihnen zweimal effektiv entgegentreten musste und sie nicht wiederkamen, was uns den Erfolg von Gegenprotesten aufzeigt.
Daher haben wir uns mit möglichen Gründen befasst, weshalb relativ wenige zu den Protesten nach Remagen kommen:
1. Der Konflikt zwischen ,,Antideutschen“ und Antiimperialist*innen führte teilweise zur Spaltung und Schwächung des Protests. Doch in Remagen sollte es nicht um diesen nervigen Konflikt mit den zahlreichen Gerüchten, Unterstellungen und inhaltlichen Differenzen, sondern um die Nazis gehen.
2. Viele lehnen ,,Feuerwehr-Politik“ bzw. ,,Demo-Tourismus“ strikt ab. Auch wir rennen nicht jeder Nazi-Aktivität hinterher und machen lieber Proteste als Gegenproteste. Doch weil Remagen eine Kleinstadt ist, ist es umso wichtiger, dass Leute von außerhalb kommen. Außerdem bietet sich die Gelegenheit, im Vorfeld eine Kampagne zu organisieren: vielfältige Mobilisierung, Vorträge über Faschismus, den Staat, Antisemitismus usw. sowie sich mit Anwohner*innen auszutauschen. So ist es kein reines ,,Feuer löschen“ bzw. ,,Demo-Tourismus“ mehr.
3. Viele unterschätzen die Wichtigkeit von Protesten gegen Nazi-Aktivitäten. Wenn Nazis ungestört demonstrieren, fühlen sie sich stark und greifen verstärkt Migrant*innen, Jüd*innen und Andersdenkende an. Alleine die Tatsache, dass letztes Jahr auf dem Rückweg von der Demo Leute von Nazis angegriffen wurden, zeigt die Gewaltätigkeit von Nazis. Diese leben sie in ihrem Alltag weniger aus, wenn ihre Demos blockiert werden.
Wir hoffen, dass wir mit diesem Brief zum Nachdenken anregen und so mehr Leute zu den Protesten kommen, wenn die Nazis bereits zum zwölften (!) Mal in Folge aufmarschieren wollen. Wir gehen davon aus, dass es der 14.11.2020 oder 21.11.2020 wird und bitten darum, beide Samstage sowie im Vorfeld etwas Zeit freizuhalten. Terminüberschneidungen wie im letzten Jahr sollten vermieden werden.
Wir werden, wie auch in den Vorjahren, gemeinsam mit anderen Organisationen Blockaden organisieren. Wer sich daran beteiligen möchte oder Anregungen/Fragen/Kritik zum Offenen Brief hat, kann sich gerne bei uns melden. Wer gerne verschlüsselt kommunizieren möchte, kann uns eine Mail mit dem Key hinterlassen. Alle, die nicht mit blockieren können oder wollen, können gerne in Remagen beim Fest oder der Demo gegen die Nazis teilnehmen.
Solidarische Grüße
Bonner Jugendbewegung