HUNGERSTREIK in Troisdorfer Flüchtlingsunterkunft: „Wir sind Menschen, keine Tiere.“
[English version below]
Am 16. Januar lasen wir in verschiedenen Zeitungen, dass sich Flüchtlinge in einer Troisdorfer Unterkunft in einem Hungerstreik befinden. Wir beschlossen spontan dahin zu fahren, mit den Flüchtlingen zu reden und uns selbst ein Bild von der Situation zu machen. Als wir dort ankamen, fiel uns als erstes auf, dass im Gegensatz zu anderen Unterkünften von Flüchtlingen, kein Sicherheitsdienst vor Ort war. Angesichts der Tatsache, dass das BKA im Jahr 2015 924 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zu verzeichnen hatte, finden wir dies sehr beängstigend. Am Eingangsbereich sahen wir Transparente mit folgender Aufschrift:
,,Need Interview“
,,Since 7 month we are living in Zoo“
,,Germany says welcome Refugees and Rathaus says go back to the war. Where are the human rights”
,,Wir möchten Interview”
,,Wir möchten arbeiten”
Im Gespräch berichteten uns die Flüchtlinge, dass in ihrer Unterkunft derzeit ca. 46 Menschen untergebracht sind, 26 davon schlafen in einem Raum. Die Duschen sind draußen in Containern. Sie leben sehr beengt, keineR hat seine/ihre Privatsphäre, keinen Raum zum Lernen und dadurch entstehen andauernd kleinere Konflikte. Die Flüchtlinge werden von der Gesellschaft isoliert und haben keineN AnsprechpartnerIn, der/die sie über ihr Asylverfahren informiert. In der Unterkunft sind die Flüchtlinge nur sich selbst überlassen, sie kochen für sich selbst und sind auf Spenden von HelferInnen angewiesen. Monatlich erhalten sie 330€ Taschengeld, womit sie ihr Essen, Trinken, Zugfahrten, evtl Hobbys, Bücher usw bezahlen. Einige von ihnen haben ein eigenes Bankkonto, andere müssen zum Sozialamt und erhalten Bargeld. Dort haben sie aber keine Möglichkeit Fragen zu stellen. Die meisten der Flüchtlinge in dieser Unterkunft sind männlich und kommen aus dem Irak, Syrien und Eritrea. Sie fühlen sich den Entscheidungen Behörden völlig ausgeliefert. Die Mitarbeiter aus dem Sozialamt sagen den Flüchtlingen, dass sie zurück nach Syrien gehen könnten, wenn sie hier unzufrieden sind.
Wir fragten die Flüchtlinge, weshalb sie sich dazu entschieden haben, einen Hungerstreik zu machen. Uns wurde erklärt, dass sie teilweise seit 4-7 Monaten in der Unterkunft sind und bisher keinen Termin bekamen, um ihren Asylantrag überhaupt zu stellen. Das führt erstens dazu, dass sie ihre Familie nicht nachholen dürfen, was bedeutet, dass ihre Frauen und Kinder, die Schwächsten der Familie, die ihre ganze Hoffnung auf die jungen Männer gesetzt haben, weiter im Kriegsgebiet um ihr Leben fürchten müssen. Und zweitens weder eine Arbeit suchen, noch studieren oder sich eine Wohnung suchen dürfen. Da sie keine Papiere haben, die ihren Aufenthaltsstatus bestätigen wird ihnen jegliche normale Teilnahme an der Gesellschaft verwehrt und sie haben nicht dieselben Rechte wie andere BürgerInnen in diesem Staat.
Im Gespräch betonten sie immer wieder, dass ihnen genau das äußerst wichtig ist. Sie seien nicht gekommen, um um Hilfe zu betteln, sondern wollen arbeiten und ein normales Leben als Teil der Gesellschaft führen. Die meisten von ihnen sind gut ausgebildete Menschen, fertig mit dem Studium, bereit, „ihre Pflicht in der Gesellschaft zu erfüllen“, dazu werde ihnen aber keine Chance geboten, da ihnen ihre Menschenrechte verweigert werden.
Tareq Shahin beschrieb das Leben im Heim als menschenunwürdig, sie wollten mehr als nur essen und trinken, wie Tiere im Zoo. Und ein anderer Bewohner fügte hinzu, dass sie in Syrien zwar in der Gefahr lebten, getötet zu werden, dort aber wenigstens frei seien. Sie hatten sie ihre Privatsphäre und durften arbeiten, hier werden sie nicht mal mit respekt behandelt.
Der Hungerstreik läuft bisher seit über 50 Stunden, die ersten Geflüchteten sind bereits ins Krankenhaus gekommen. Aber die Flüchtlinge von Troisdorf werden weiterstreiken, solange bis ihre Forderungen erfüllt sind. Wir sagten ihnen, dass wir ihnen gerne helfen möchten, öffentlich unsere Solidarität zeigen und ihre Forderungen verbreiten. Am 2. Februar veranstalten wir eine Demonstration in Form eines Schul- und Unistreiks um auf die menschenunwürdigen Bedingungen aufmeksam zu machen. Wir solidarisieren uns, geben den Stimmlosen unsere Stimmen und laufen Schulter an Schulter mit den Refugees.
Die Forderungen:
- Einen Termin zur Bearbeitung ihrer Asylanträge
- Bessere Wohnbedingungen
- Eine menschenwürdige Behandlung von den Mitarbeiter*innen des Sozialamtes
- Recht auf Arbeit & Bildung
- Ein zugesichertes Bleiberecht
- Das Recht auf Familiennachzug
English
On the 16th of January 2016 news reached us of a hunger strike being staged by refugees in a housing facility in Troisdorf. We immediately decided to take action by visiting the refugees involved in order to get the full picture of the situation. Upon our arrival we noticed that contrary to our previous experience that the facility lacked all security services such as guards on site. In light of the recent events, counting 924 attacks on refugee accommodation alone in 2015, we considered the absence of security highly disturbing. At the entrance we spotted banners with the following slogans : .
,,Need Interview“
,,Since 7 month we are living in Zoo“
,,Germany says welcome Refugees and Rathaus says go back to the war. Where are the human rights”
,,Wir möchten Interview”
,,Wir möchten arbeiten”
During our discussion with the refugees we received information on the conditions within the shelter : currently it accomodates 46 refugees, 26 sleep in a single room. The shower facilities are located outside within a construction trailer. The conditions are crowded and leave no room for privacy or space to study. This leads to tensions and constant conflict. The refugees live completely isolated from the community and are not provided with any person of reference. The refugees are left to themselves and have to rely on the charity and help of local volunteers in order to coordinate their daily lives. They receive ~330€ per month which has to last for food & drink, public transport, leisurely activities, books….A few have a bank account, others receive the money in person from the social services. Yet the social services deny them all other information or help. Most of the refugees in Troisdorf are male and have come from Syria, Iraq or Eritrea. The decisions made about their lives by the German authorities feel absolutely arbitrary to them. The public officials representing the social services told them that if they do not like the way things are handled here in Germany, they should return to Syria.
We asked the refugees what led to the drastic decision to go on a hunger strike. They explained that since their arrival 4-7 months ago, they did not even have the opportunity to officially seek asylum. This implies that they may not bring their families who are still left in war-torn misery and hoped that the young men would survive the perilous journey in order to save them too.
Denying them to officially seek asylum further prohibits them to work, look for suitable accommodation or to study at a German university. Having no document to confirm their status of residence they are simply excluded from all participation within the community and are denied all the rights German citizens have. During our discussion the refugees emphasized that it is the most important issue for them to become part of the community they live in. They have not come here to beg but to build a life and account for their own living expenses as active and responsible members of society. Most of them are educated people, who have completed university education and prepared to fulfil their obligation to society. Yet they are not even granted the chance since they are denied all human rights. Tarreq Shahin described the life within the shelter as beneath human dignity, needing more than just food and drink, making them feel like animals in captivity. Another resident added that even though the situation in Syria is life-threatening, at least they were free, had privacy, were treated with respect and were allowed to work.
The strike has been going on for 50 hours and some participants have already been hospitalised. Nevertheless the refugees in Troisdorf will continue to strike until their demands are met. We assured them our help, solidarity and that we would spread their demands.
On the 2nd of February we are organising a strike on education with a demonstration to end these degrading conditions for refugees in Germany and draw attention to their situation. In solidarity with the refugees, we want to give them a voice and fight side by side with them.
Demands:
- set date to process their request for asylum
- improved living conditions
- respectful treatment from the authorities and social services
- right to work and education
- confirmation of right of residency
- possibility to also bring their families