Corona Pandemie
Die Corona-Pandemie ist seit Wochen in aller Munde. Es gibt weltweit bereits (Stand 5.4.) über 1.200.000 Infizierte, über 65.000 Menschen sind gestorben[1].
Doch wie genau ist mit dieser Pandemie umzugehen? Es gilt, sinnvolle Maßnahmen wie z.B. eine weitläufige Kontaktreduzierung zu unterstützen, aber auch differenziert und kritisch die wirtschaftlichen und politischen Hintergründe und Reaktionen auf die Pandemie zu betrachten.
Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen
Da die UN-Mitgliedsstaaten kaum Beiträge an die WHO zahlen, ist diese auf Spenden von (sehr reichen) Privatpersonen, wie z.B. Bill Gates und anderen angewiesen. Wenige Superreiche können praktisch bestimmen, was die WHO mit den Spenden macht, da diese zweckgebunden sind. Dies schränkt eine lösungsorientierte Entscheidungsfreiheit der WHO allerdings massiv ein. So wird die WHO zum Mittel der Kapitalist*Innen, die sie nach eigenem Ermessen nutzen. Innerhalb der WHO selbst gibt es außerdem ein Gremium, welches wichtige Schlüsselpositionen in sich vereint[2].
So kann dieser Rat z.B. einen Notstand ausrufen, was Regierungen zum Investieren in Pharmakonzerne und Medikamente zwingt. Vor elf Jahren ist dies bzgl. der Schweinegrippe geschehen: Es gab einen Notstand, Investitionen, keine Epidemie, aber Milliarden Gewinne für große Konzerne wie Bayer[2]. Dies zeigt, dass die WHO nicht der Gesundheit aller, sondern den Profiten Weniger dient. Ist das bei Gesundheitsorganisationen in Deutschland ebenso?
Das deutsche Gesundheitssystem
In Deutschland, wie in allen kapitalistisch organisierten Ländern, werden fast alle Bereiche des Lebens kontrolliert von der Doktrin der Gewinnmaximierung. Diese macht, neben z.B. Infrastruktur (Straßen, Schulen etc.) auch vor dem Gesundheitssystem nicht halt. Die Unterbezahlung und Ausbeutung von Pflegekräften sowie ihre notorische Unterbesetzung ist seit langem bekannt[3] und gerade das Paradebeispiel der Sparpolitik der Bundesregierung. Und wenn dies in „normalen“ Zeiten noch als vermeintlich isoliertes Problem der direkt betroffenen angesehen werden konnte, zeigen sich in Extremsituationen wie diesen die tragischen Konsequenzen dieser Art des Wirtschaftens – die Gefahr für Leib und Leben der direkt durch den Virus bedrohten ist in dem jetzigen Ausmaß nur durch das Profitstreben von Bankern, Aktionären und Politikern zu erklären.
Talkshows, der Bundesgesundheitsminister und Stiftungen plädieren wenige Monate vor der Pandemie noch dafür, Krankenhäuser zu schließen[4]. Selbst bei der akuten Gefahr der Pandemie, die schon seit Monaten bekannt ist, wurden Maßnahmen wie die Aufstockung von Desinfektionsmitteln und Masken für medizinisches Personal nicht nur vernachlässigt, Krankenhäuser wurden weiterhin zu dem bisherigen Sparkurs gezwungen.
Das Robert-Koch-Institut
Das RKI ist die oberste Bundesbehörde für Infektionskrankheiten und hat eine einzigartige Monopolstellung: Das Institut ist z.B. organisatorisch und inhaltlich maßgeblich an allen Studien, die zum Umgang mit Pandemien ausgearbeitet werden, beteiligt. Es berät die Regierung bei ihren Entscheidungen und wirkt an den Rechtfertigungen ihrer Maßnahmen mit. Darüber hinaus sind die Informationen des RKI auch wichtigster Referenzpunkt für die Berichterstattung und Kommentierung der öffentlich-rechtlichen Medien. Dabei haben sich die Empfehlungen des RKI schon häufiger als entweder verfehlt oder schlicht falsch herausgestellt[5].
Dennoch haben viele Menschen in das RKI vertrauen und begrüßen daher alles, was von diesem empfohlen wird. Dabei haben wir es u.A. eben diesem RKI zu verdanken, dass notwendige Schutzmaßnahmen erst viel zu spät und gering eingeführt wurden, das Gesundheitssystem nicht angemessen vorbereitet wurde, dass für den Alltag nicht wichtige Betriebe offen bleiben usw. Dieses fahrlässige Verhalten ist nur mit der Angst vor einbrechenden Umsätzen von Konzernen zu erklären, hat aber mit dem Schutz von Menschenleben nichts zu tun.
Die derzeitigen staatlichen Maßnahmen – Notstandsgesetze?
Mittlerweile wird zwar gehandelt, aber weiterhin wird der Gesundheitssektor nicht konsequent gestärkt und weiterhin müssen zahlreiche Menschen (ohne Schutz!) arbeiten, obwohl dies nicht zwingend notwendig ist. Gleichzeitig gibt es große Rettungspakete an Konzerne. Zudem verdienen Politiker*innen u.A. in den USA mit Aktiengeschäften an der Pandemie[6] und Firmen lassen Preise z.T. um 3.000% steigen[7].
Arbeiter*innen, Selbstständige, Obdachlose, Geflüchtete und prekär Beschäftigte – das sind v.a. Migranten und Frauen – leiden sehr stark unter der Pandemie. Sie werden von ihren Chefs unter Druck gesetzt und verarscht[8]. Viele Arbeiter*innen verlieren derzeit ihren Job oder müssen in Kurzarbeit, in diesem Falle zahlt der Staat bzw. der Steuerzahler seit Neustem den Sozialversicherungsbeitrag, Konzerne bekommen somit Arbeitskraft deutlich günstiger zur Verfügung[9]. Sogar eine massive Verschärfung der Arbeitsbedingungen von Pfleger*innen in Hessen wurde angekündigt[10], damit die Krankenhäuser profitabel bleiben. Dies wirkt sich besonders auf Frauen* aus, da v.a. sie in der Pflege beschäftigt sind und Kinderbetreuung und Hausarbeit meist an ihnen hängen bleibt. Das erhöhte Polizeiaufgebot, racial profiling, mangelnder Zugang zum Gesundheitssystem und verschärfte Angst vor Abschiebungen erhöhen den Druck gegenüber Migranten und Geflüchteten. Man geht davon aus, dass diese psychischen und finanziellen Belastungen die Suizidzahlen massiv erhöhen werden.
Gleichzeitig baut der Staat zahlreiche Grundrechte ab, wie bspw. das Recht auf Versammlungsfreiheit. Der Überwachungs- und Polizeistaat wird ausgebaut. Der Ex-NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Snowden warnt: Staaten würden dazu tendieren, Gefahrensituationen in die Länge zu ziehen. Plötzlich könnten Notfallmaßnahmen permanent werden – und genutzt werden, um bspw. oppositionelle Gruppierungen zu bekämpfen. Regierungen mit Überwachungsinstrumenten würden dazu tendieren, neue Gefahren als Begründung für eine weitere Verwendung zu nennen – etwa terroristische Gruppierungen[11].
In der Praxis ist dies auch in Europa schon sichtbar: In Ungarn wurden gerade Notstandsgesetze beschlossen: Orban hat mit seiner Regierungskoalition das ungarische Parlament außer Kraft gesetzt! Er entscheidet, wann die Krise vorbei ist und was wahr oder falsch ist. Mit Journalisten, Kritikern und Migrant*innen geht er um, wie er gerade möchte[12]. Diese drastischen Veränderungen sind im Moment in Deutschland nicht zu erwarten. Aber Einschränkungen gibt es bereits, und Änderungen am Grundgesetz, Zwangsarbeit und Bundeswehreinsätze im Innern werden diskutiert[13].
Mit der engen Zusammenarbeit von Politik, RKI und etablierten Medien wird die Pandemie erfolgreich dazu genutzt, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat zu erhöhen. Anstatt über das Kaputtsparen des Gesundheitssystem zu debattieren, wird die Verantwortung auf Parkbesucher und Hamsterkäufer gelenkt und der Staat als Retter dargestellt. Die Vertrauensstärkung erleichtert es der Politik wiederum, weitere Maßnahmen quasi im Schatten der Pandemie durchzusetzen: Diätenerhöhung, Verlängerung von Bundeswehrmandaten und Arbeitsrechtsverschärfungen[14]. Viele bekommen dies nicht mit, andere akzeptieren es und Proteste dagegen sind derzeit ohnehin verboten.
Imperialistische Konkurrenz
Italien und Spanien sind besonders hart betroffen sind. Sie rufen um Hilfe, da sie mit den unzähligen Toten und Neuinfizierten nicht zurecht kommen. In dieser Situation zeigt sich, dass die sog. inner-europäische „Solidarität“ nichts als ein Trugbild ist. Die durch Deutschland aufgenommenen italienischen und französischen Erkrankten sind keine effektive Hilfe, sondern reine Symbolpolitik. Alle Staaten stehen in ökonomischer Konkurrenz zueinander und denken nur an ihre eigene Stellung dabei. Dies wird auch beim Kampf um Impfstoffe deutlich, wo es nicht etwa um Verteilungsgerechtigkeit, sondern um den egoistischen, nationalistischen Kampf für sich selbst geht. Die ,,EU Solidarität“ ist eine reine Propagandalüge.
Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen
Und trotz der momentan hier herrschenden Situation muss man sich nach wie vor bewusst machen, dass Geflüchtete an der griechisch-türkischen Grenze weiterhin auf die Möglichkeit warten, dezentral untergebracht und nach Europa einzureisen. Hier bietet die Corona-Krise für Regierungen einen willkommenen Anlass, eine Debatte um die Rechte der dortigen Menschen überhaupt nicht mehr führen zu müssen, und die humanitäre Katastrophe weiter vor sich hin brodeln zu lassen. Denn sollte sich die Pandemie auch in dortigen Camps ausbreiten, wird es zu Bildern kommen, die auch mit denen aus Italien nicht zu vergleichen sind – kaum Sanitäranlagen, keine Möglichkeit der Isolierung, schlechte medizinische Behandlung. Auch diese Probleme zu lösen wäre Aufgabe der Europäischen Union, und nicht nur der sog. Ankunftsstaaten wie Griechenland, Spanien und Italien. Die deutsche Regierung muss schnellstmöglich Geflüchtete aufnehmen und alle dezentral unterbringen.
Unsere Antwort: Solidarität mit den Betroffenen – Aufklärung und Kampf gegen die Verantwortlichen!
Große Konzerne und der Staat sind verantwortlich für zehntausende Tote, an ihren Händen klebt Blut! Wir müssen ihre Herrschaft beenden und den Kapitalismus überwinden. Ein System, welches zu Profiten zwingt, kann nicht im Sinne aller sein. Die Kapitalist*innen sind auf die arbeitende Bevölkerung angewiesen: Ohne die Ausbeutung der Arbeitskraft gibt es keine Profite. Daher hat die Arbeiterklasse eine unglaubliche Kraft, wenn sie als Einheit auftritt. Wir solidarisieren uns mit den Kämpfen der Arbeiter*innenklasse in Italien und allen anderen Ländern!
Die Pandemie und die Maßnahmen sollten uns nicht in ein Gefühl der Ohnmacht oder Panik versetzen. Wir halten zusammen, bleiben solidarisch und vertrauen auf unsere Stärke. In ganz Deutschland haben sich Solidaritätsinitiativen gegründet, die Hilfsbedürftigen helfen. Diese Hilfeleistungen müssen politisch geführt, mit Gewerkschaften und Arbeiter*innen verknüpft werden. Viele stellen bereits Forderungen auf, verteilen Flyer, nutzen digitale Infrastruktur und führen Diskussionen. Hier gibt es die Corona Hilfe Bonn und die Corona Solidarität Bonn, unterstützt diese Initiativen und bleibt gesund!
[1] aktuelle Anzahl der infizierten und verstorbenen Personen
[2] Quellen zur WHO: Arte Doku, Artikel vom Deutschlandfunk
[3] Ausbeutung der Pflegekräfte
[4] Bundesgesundheitsminister, Talkshows, Stiftungen wollen Krankenhäuser schließen
[5] Artikel vom Focus und von der Jungen Welt zum RKI
[6] Aktiengeschäfte mit Pandemie
[7] Beispiel für massive Preissteigerungen
[8] Umgang mit Chefs
[9] Sozialversicherungsbeitrag
[10] Verschärfung der Arbeitsbedingungen in der Pflege
[11] Edward Snowden warnt
[12] Die Lage in Ungarn
[13] Aushebelung Grundgesetz, Zwangsarbeit, Bundeswehr im Innern
[14] Diätenerhöhung, Bundeswehrmandate, Arbeitsrechtsverschärfung