,,Der Kapitalismus hat immer weniger Hemmungen“ …unsere Solidarität mit Ausgebeuteten und Unterdrückten auch!
Der Kampf der Belegschaft von Sulzer im Rhein-Sieg-Kreis
In Lohmar bei Bonn leisten Arbeiter*innen der Firma Sulzer Widerstand gegen die Konzernspitze für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze. Sulzer ist ein weltweit agierender Industriekonzern mit Hauptsitz in der Schweiz, der im Rhein-Sieg-Kreis Energiesparpumpen für die Abwasserverarbeitung, Rührwerke und Belüfter herstellt. Der Konzern will den besagten Standort jedoch zum Jahresende schließen und die Produktion ins Ausland verlagern. Die IG Metall unterstützt die Belegschaft bei ihrem Arbeitskampf und startete eine Petition. Die Gewerkschaftsführung erklärt jedoch keine Hintergründe zur Produktionsverlagerung, obwohl es Teil ihrer Aufgabe ist.
Wir unterstützten die Unterschriftensammlung. Mittlerweile haben die Arbeiter*innen über 10.000 Unterschriften gesammelt. Sie organisierten verschiedene Aktionen und traten mehrfach an die Öffentlichkeit. Die Petition ist mittlerweile abgeschlossen. Bei der Demonstration der Verdi Jugend zum internationalen Arbeiter*innenkampftag am 01.05. in Bonn bekundeten wir mit einem Transparent unsere Solidarität mit der Belegschaft, was großen Anklang fand. Beim anschließenden Internationalistischen Fest nahm eine Delegation der Arbeiter*innen teil und hielt eine Rede: ,,[…] Was bei uns passiert, ist eigentlich ein ganz gutes Beispiel für das, was auf der Welt passiert. Der Kapitalismus hat immer weniger Hemmungen. […]“, so Christophe Hassenforder vom Betriebsrat.
Kapitalismus? Welche Faktoren spielen bei einer Produktionsverlagerung eine Rolle? Was sind die Ziele und was die Folgen? Was können die Arbeiter*innen dagegen machen? Gibt es durch das bestehende Arbeitsverhältnis Abhängigkeiten, kann man dadurch Druck aufbauen? Und warum sind der Kampf und die Solidarität so wichtig?
Im Kapitalismus stehen zahlreiche Unternehmen, um Absatzmärkte und vor allem um Profit miteinander im Wettbewerb. Diese allgemeine Logik des Kapitalismus zwingt sie zur ständigen Profitmaximierung. Durch die sogenannte Globalisierung, also die Ausbreitung der Kultur, Wirtschafts- und Lebensweise der ökonomisch mächtigsten Länder auf nahezu den ganzen Planeten, gewannen viele Unternehmen nicht nur neue Absatzmärkte. Sie gewannen zudem durch Dumpinglöhne und besonders unternehmensfreundliche, also arbeiter*innenfeindliche Politik die Möglichkeit, im Ausland zu Spottpreisen zu produzieren.
Ein Wachstum, welches über den technischen Fortschritt hinausgehen soll, geht nur mit steigender Ausbeutung von Mensch und Natur.
Lohnarbeiter*innen erzeugen durch ihre Arbeit einen gewissen Wert. Dieser Wert wird allerdings nur anteilig den Arbeiter*innen ausgezahlt. Die Differenz zwischen dem Wert der Arbeit und dem Lohn der Arbeiter*innen nennen wir Mehrwert. Die Summe des Mehrwerts aller Arbeiter*innen eines Unternehmen bildet seinen Profit. Unternehmer*innen behalten diesen Profit für sich und ihren privaten Luxus oder setzen ihn ein, um bspw. effektivere Maschinen zu kaufen, um damit wieder mehr Profit aus der Arbeit der Lohnabhängigen zu schlagen. Lohnabhängige jedoch sind gezwungen dies zu akzeptieren, da sie den Lohn zum Leben brauchen.
Durch eine Verlagerung der Produktion steigert sich der Profit. Denn in vielen anderen Ländern ist der Durchschnittslohn geringer, zudem gibt es oft keine sozialversicherungspflichtige oder gesundheitliche Absicherung und Kinderarbeit gehört zum Normalzustand. Nahezu alle großen Konzerne profitieren davon.
Zudem leidet die Umwelt immer mehr unter den Folgen der Wirtschaft. In den sog. ,,Billiglohnländern” in Asien gibt es meist gar keine Umweltstandards, dadurch können Konzerne dort an ihren Ausgaben sparen. Doch auch Umweltstandards in Industrienationen sind entweder unternehmsfreundlich, werden zur Profitmaximierung ignoriert oder sind nicht ausreichend vorhanden: So verbrennen bspw. große Konzerne extrem große Mengen an Erdgas, was bei der Erdölförderung entsteht, obwohl sie es auch ,,auffangen“ könnten. Sie haben genug Geld, die Umwelt zu schonen, wählen jedoch stets den profitmaximierenden Weg.
Dieses System reproduziert sich ständig selbst. Produktionsauslagerungen in ,,Billiglohnländer“ verfestigen den aktuellen Zustand der unmenschlichen Ausbeutung der Arbeitskraft und ermöglichen den Unternehmen ihre Position am Markt auszubauen und eine Monopolstellung erlangen zu können. Das Ganze führt zu einer ständigen Vergrößerung der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit.
Unternehmer*innen legen die Arbeitsbedingungen fest, weswegen weder Arbeiter*innen noch Gewerkschafter*innen eine nennenswerte Verhandlungsmacht bis auf den Streik und die Organisierung haben. Denn ohne Arbeit der Angestellten kein Mehrwert, also kein Profit der Unternehmer*innen. Und genau dadurch haben Arbeiter*innen eine erhebliche Macht, wenn sie sich zusammenschließen. Wenn sich Arbeiter*innen organisieren und streiken, schwindet der Profit und Unternehmer*innen stehen unter Druck.
Doch dem Widerstand setzen Unternehmer*innen gewerkschaftsfeindliche Politik in den Betrieben oder auch strenge gesetzliche Regelungen (wie das sog. Tarifeinheitsgesetz) entgegen. Außerdem wird ständig versucht, den Zusammenhalt der Lohnabhängigen zu spalten, sei es durch Aufsplittung von Belegschaften in Leiharbeiter*innen und Festangestellte oder durch sogenannte Hausverträge. Der Konkurrenzkampf innerhalb der Arbeiter*innen, der zur sog. ,,Ellenbogengesellschaft“ führt erschwert zudem ihren Zusammenhalt. Dieser Konkurrenzkampf wird von Unternehmer*innen geschürt, um den Zusammenhalt und somit auch die Verhandlungs- und Durchsetzungskraft von Arbeiter*innen zu schwächen. Nicht zuletzt wird auch immer wieder versucht, einzelne Gruppen (durch Nichteinstellung von Migrant*innen, niedrigere Löhne für Frauen, das Schüren von Vorurteilen usw.) aus der großen Masse der Lohnabhängigen heraus zu brechen.
Um langfristig etwas an den Zuständen zu ändern, muss das System verändert werden. Jeder Konzern kann auf einzelne Arbeiter*innen, die Widerstand leisten wollen, verzichten. Doch jedes Unternehmen ist auf den Profit, also somit auf die Wertschöpfung aller Arbeiter*innen, angewiesen. Somit hat die Masse der Arbeiter*innen eine gewaltige Macht. Die Masse kann streiken, an die Öffentlichkeit gehen, demonstrieren und Fabriken besetzen. Sie können ihre Arbeitgeber*innen unter Druck setzen und sich mit den Arbeiter*innen von anderen Konzernen solidarisieren. Denn nur vereint kann der Kampf erfolgreich sein. Daher ist es besonders wichtig, sich mit allen Arbeiter*innen zu solidarisieren und sie in ihrem Kampf gegen Ausbeutung zu unterstützen.
Der Konzern Sulzer bedient sich nicht nur der beschriebenen arbeiter*innenfeindlichen Verhaltensweisen, er missachtet zudem einen Vertrag:
Im Oktober 2014 hatten Betriebsrat und Geschäftsführung eine Vereinbarung unterzeichnet, die bis Ende 2019 eine Standort- und Beschäftigungsgarantie vorsieht. Doch Ende 2016 hat es sich der Vorstand anders überlegt und angekündigt, die Fabrik in Lohmar bereits im Jahr 2017 zu schließen und damit 180 Arbeiter*innen auf die Straße zu setzen.
Im Februar begann die Petition und im März urteilte das Arbeitsgericht Siegburg, dass der Konzern seinen Standort schließen darf, da sich die Marktlage verändert habe. Doch der Widerstand ging weiter! Es gab Sondierungsgespräche zu wirtschaftlichen Alternativen am Standort. Die Arbeiter*innen hielten zusammen, es wurde Berufung eingelegt und die Unterschriftensammlung fortgeführt.
Am 12.04. ließ das Sulzer Management über seine Anwält*innen mitteilen, dass aus seiner Sicht weitere Sondierungsgespräche keinen Sinn ergeben. Angebotene Gespräche von Minister*innen wurden mit folgender Begründung abgelehnt: ,,Wir wollen diese Verhandlungen nicht mit Gesprächen außerhalb des vereinbarten Rahmen stören und bitten Sie daher um Verständnis, dass wir ihrem Vorschlag zur Zeit nicht entsprechen können.“
Doch die Politik und die Öffentlichkeit werden mit Falschaussagen konfrontiert! Zum 01.04. wurden bereits 4 Pumpenreihen nach Irland verlagert. Zudem wurden weltweit Vertriebsgesellschaften angewiesen, die Bestellungen für diese Pumpen nur noch in Irland zu tätigen, um so die Belegschaft in Lohmar am langen Arm vertrocknen zu lassen und künstlich den Eindruck zu erwecken, es gäbe keine Aufträge mehr! Der Betriebsrat verurteilt dies zurecht als rechtswidrig, menschenverachtend und Psychoterror: Mitteilung Betriebsrat Sulzer 13.04.2017 (1)
Am 11.05. entschied das Landesarbeitsgericht Köln, dass Verträge einzuhalten sind! Der Standort im Rhein-Sieg-Kreis wird bis mindestens Ende 2019 bestehen bleiben. Die Arbeiter*innen nahmen mit 50 Personen an der Verhandlung teil, applaudierten bei der Urteilsverkündung, feierten daraufhin vor der Fabrik ihren Sieg und ernannten den 11.05. auf Facebook zum ,,Tag der Gerechtigkeit“.
Falls der Vorstand nun in Berufung gehen sollte, dann werden wir die Arbeiter*innen erneut unterstützen. Andererseits könnte der Vorstand das Gerichtsurteil akzeptieren, jedoch durch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (bspw. Kurzarbeit) den Arbeiter*innen das Leben schwer machen. Falls es dazu kommt oder falls der Vorstand zum Jahr 2020 den Standort schließen will, dann wird es erneut Protest geben. Und wir werden den Arbeitskampf erneut unterstützen, denn die Solidarität ist unsere stärkste Waffe. Die Arbeiter*innen haben Durchhaltevermögen und Entschlossenheit gezeigt und sich nicht unterkriegen lassen. Die Entschlossenheit der Arbeiter*innen ermutigt uns in unserer weiteren politischen Arbeit.
Besonders uns Jugendliche betreffen solche Arbeitskämpfe, egal ob im Industriesektor, beim Pflegepersonal oder den Erzieher*innen. Wir sind die Arbeiter*innen von morgen und wir haben bereits mit dem Widerstand angefangen, um uns eine menschenwürdige Zukunft zu erkämpfen! Im Kapitalismus ist es normal, dass man für seine Rechte kämpfen muss. Deswegen sind wir aktiv!
Im Juli fahren wir gemeinsam nach Hamburg und stellen uns dem Treffen der G20 in den Weg. Denn auch unsere Solidarität mit Ausgebeuteten und Unterdrückten kennt immer weniger Hemmungen oder Grenzen!
Und da uns ebenfalls die Umwelt am Herzen liegt, werden wir am 18.-24. August ein Klima-Protestcamp veranstalten. Damit wollen wir die globalen Umweltproteste stärken, auch hierfür ist (wie beschrieben) das Fundament des Kapitalismus, also das Streben nach Profitmaximierung verantwortlich.
Also werdet aktiv, lasst uns gemeinsam der Umweltzerstörung genauso wie der Arbeiter*innenausbeutung den Kampf ansagen! Kommt auf die Straße!